Growth Hacking: 5 Tipps für den Einstieg
Schwierige Zeiten. Das wäre noch eine Untertreibung für das, was wir aktuell erleben...
Kunden ändern ihr Verhalten oder bleiben ganz aus. Die Zukunft ist sehr, sehr unsicher. Was für viele Unternehmen eine einmalige, unbekannte Situation ist, ist für Start-ups der Normalzustand. Deswegen kann es jetzt sinnvoll sein, sich mit den Methoden der Start-ups bekannt zu machen. Denn diese wurden dafür geschaffen, Unsicherheiten und „Lücken“ im Markt zu finden und zu nutzen:
Einer der wichtigsten ist Growth Marketing oder Growth Hacking.
(Abb. 1) Quelle: hello-growth.de
Was ist Growth Hacking?
Growth Hacking ist keinesfalls eine Ansammlung von vermeintlich originellen Marketingtricks. Es ist ein agiler Unternehmensprozess, ähnlich wie Scrum. Dieser Prozess soll dabei helfen, Chancen schnell und günstig zu finden und zu nutzen. Es ist ein interdisziplinärer Mix aus
- Marketing,
- datengetriebenen Experimenten und
- Automatisierung (Growth Hacker sind von Natur aus faul).
Growth Hacking unterscheidet sich von klassischem Marketing dadurch, dass
- die gesamte Kundenreise auf Chancen untersucht wird, Menschen mit unterschiedlichen Expertisen zusammen auf ein gemeinsames Ziel hinarbeiten – also keine Silos,
- die Produktentwicklung einbezogen ist (denn das Produkt ist natürlich Teil der Customer Journey),
- datenbasierte Mini-Kampagnen und Experimente (die zwei bis vier Wochen dauern), die langfristige, teure und möglicherweise ineffiziente Kampagnen ersetzen sollen.
1. Bauen und testen von Landingpages
Hier ist ein einfacher, aber effizienter Weg zur Generierung von Leads: Landingpages bauen für die Kampagnen. Einen Nutzer auf eine themenspezifische Landingpage zu leiten, ist oftmals deutlich effizienter als die Verlinkung auf die Startseite. Wenn man zum Beispiel eine spezielle Marketingkampagne lanciert hat, sollte man die Nutzer in jedem Fall auf eine Landingpage leiten, die thematisch und optisch dem entspricht, was ihnen mit der Kampagne versprochen wurde. So ist die Chance um einiges höher, dass sie tatsächlich ihre Kontaktinformationen hinterlassen.
Eine gute Landingpage sollte folgende Elemente beinhalten:- Die Navigation ist auf das Allernotwendigste reduziert.
- Titel: Möglichst kurz mit Erwähnung des Kundennutzens beziehungsweise der Überschrift der Anzeige, die auf die Landingpage verlinkt.
- Das Problem, das dieses Produkt löst.
- Ein gutes Produktbild oder Produktvideo (der „Hero-Shot“) oder ein Video.
- Ein eindeutiger Call-to-Action (CTA): Ein CTA ist eine Handlungsaufforderung (zum Beispiel „Hier klicken!“). Er leitet den Besucher zu einer Aktion. Dieser Call-to-Action sollte auf der rechten Seite und auf jeden Fall above the fold, also im sofort sichtbaren Bereich, sein. Außerdem sollte er so spezifisch wie möglich sein: „Ja, ich will mehr über XY lernen!“
- Vertrauensfördernde Elemente: Eine Empfehlung eines bekannten Experten oder ein Testimonial eines echten (!) Kunden kann das Vertrauen in das Unternehmen stärken.
Wichtig: Der erste Eindruck zählt: Eine Landingpage sollte grammatikalisch und inhaltlich von hoher Qualität sein. Innerhalb von fünf Sekunden muss dem Nutzer klar werden, was Sinn und Zweck der Landingpage ist. Du kannst einen solchen Fünf-Sekunden-Test mit Usability-Hub schnell und einfach durchführen.
2. Gezielt Psychologie einsetzen
Wir Menschen verweisen gerne darauf, dass wir einen freien Willen haben und stets bewusste Entscheidungen treffen. Diese Aussage stimmt nur zur Hälfte: Zwar haben wir einen freien Willen, aber wir sind durch unsere Erziehung und Sozialisierung so konditioniert, dass wir äußeren Impulsen unbewusst folgen – wir sind manipulierbar.
Gute Verkäufer machen sich diese Effekte zunutze und auch als Growth Hacker sollte man zumindest testen, wie man diese Möglichkeiten ausschöpfen kann, damit die Nutzer das tun, was sie sollen. Das gilt nicht nur für B2C-, sondern auch für B2B-Kampagnen. Denn unabhängig davon, in welcher Branche das Unternehmen tätig ist: 100 Prozent der Kunden sind Menschen. Und die überwältigende Mehrheit der Menschen funktioniert nach den gleichen psychologischen Prinzipien. Die folgenden drei psychologischen Prinzipien lassen sich leicht in Anzeigen und Werbemittel integrieren:
FOMO & Social Proof:
Wir Menschen sind Herdentiere. Wir vertrauen auf das Urteil anderer Menschen – deswegen sind Produkt- und Amazon-Bewertungen auf eBay, Amazon oder TripAdvisor so wichtig. In B2C-Branchen wird oft mit FOMO (Fear of Missing
Out) beziehungsweise künstliche Verknappung gearbeitet. Beispielsweise ist ein Produkt nur für eine bestimmte Zeit zu einem besonders günstigen Preis vorhanden.
Bei den Kunden löst das gleichzeitig Beruhigung aus („Andere Menschen kaufen das auch, das muss gut sein!“) und Stress („Ich muss schnell kaufen, bald ist der Artikel ausverkauft!“) aus.
Reciprocity:
Die Verpflichtung zur Gegenleistung ist tief in der menschlichen Kultur verankert. Erhalten Menschen eine Gefälligkeit oder ein Geschenk, fühlen sie sich in der Schuld, auch wieder etwas zurückzugeben, um dieses auszugleichen. Man
kann den Kunden beispielsweise ein E-Book, ein kostenloses Tool (zum Beispiel einen Excel-Rechner) oder eine Einladung zu einem Event schenken. Ebenfalls kann man die Mitglieder der Community (eine Social-Media-Gruppe, Teilnehmer eines Events oder Stammkunden) immer wieder mit kleinen Geschenken an sich binden.
Reciprocity ist daher ein wichtiger Faktor beim Aufbau einer Community und der Reduktion der Churn-Rate, also der Abwanderung der Nutzer und Kunden.
Sprich: Es kann dabei helfen, aus neuen Kunden Stammkunden und sogar Fans zu machen.
Anchoring:
„Dieser Artikel würde normalerweise 1000 Euro kosten. Aber heute kostet er ausnahmsweise nur 500 Euro!“ Dadurch, dass man zuerst den höheren Preis genannt hat (= den mentalen Anker gesetzt hat), erscheint der tatsächliche Preis wie ein Schnäppchen. Einfach, aber bei preissensiblen Kunden sehr wirkungsvoll.
3. Testen neuer Kanäle
Digital Marketing besteht aus mehr als Bannern und Google-Ads-Anzeigen. Gute Growth Hacker sind immer die ersten, die Werbemöglichkeiten auf einem neuen Kanal testen, denn dann können sie nicht nur früh eine eigene Audience aufbauen, sondern profitieren neben dem Mangel an Konkurrenz auch von günstigen Preisen. Gerade auf (neuen) Social-Media-Plattformen suchen wir den Austausch mit vertrauten Menschen und Marken, und deswegen waren es die Pioniere, die schnell die meisten Fans auf Facebook, Instagram oder TikTok gewannen und sich einen neuen Kommunikationskanal mit ihrer Zielgruppe aufbauen konnten. Denn die Konkurrenz konzentrierte sich noch auf die bestehenden Kanäle, anstatt neue Chancen zu entdecken.
Da sein, wo die Kunden sind, und neue Kanäle dann testen, wenn die Kunden sie ebenfalls ausprobieren. Dabei muss man bedenken, dass Menschen aus unterschiedlichen Regionen unter Umständen ein vollkommen unterschiedliches Mediennutzungsverhalten haben, auch wenn die soziodemografischen Fakten identisch sind. Gabriel Weinberg und Justin Mares listen in ihrem Buch „Traction“ 19 Kategorien auf [1], die man für Growth-Hacking-Maßnahmen in Betracht ziehen sollte – insbesondere, wenn man sie bisher noch nicht getestet hat:
1. Virales Marketing
2. Public Relations
3. Unkonventionelle PR und Guerilla Marketing
4. Search Engine Marketing (SEM)
5. Search Engine Optimization (SEO)
6. Social und Display Ads
7. Offline-Werbung (TV, Radio, Print, Out-of-Home et cetera)
8. Content-Marketing
9. E-Mail-Marketing
10. Engineering as Marketing
11. Blogger Relations und Influencer Marketing
12. Business Development
13. Sales
14. Affiliate Marketing
15. Bestehende Plattformen
16. Messen
17. Offline-Events
18. Speaking Engagements
19. Community Building
4. Start des Prozesses
Der Growth-Hacking-Prozess ist einfach (Abb. 1):
1. Definieren des Ziels, das man erreichen will, sowie die Metrik, anhand derer man den Erfolg feststellen kann.
2. Nutzung der Kreativität, Erfahrung, Neugier und Expertise eines Teams, um neue Ideen zu sammeln.
3. Priorisierung dieser Ideen entsprechend des mit der Umsetzung verbundenen Aufwands, der Erfolgschancen und eines Bauchgefühls.
4. Umsetzen der besten Idee – indem man zunächst eine Hypothese formuliert:
Blueprint Hypothese
Weil wir erkannt haben, dass (Daten/Kundenfeedback), erwarten wir, dass (Änderungen) folgende (Auswirkungen) haben werden, dies messen wir über (Metrik/Key Performance Indicator (KPI)).
Mit diesem Grundmuster kann man einfache Experimente in zwei Wochen umsetzen und damit feststellen, ob sich der neue Kanal beziehungsweise die neue Idee lohnt. Weil man datenbasiert arbeitet und die Ergebnisse misst, lernt
man schnell, dass Experimente sich lohnen.
Wichtig: Nicht vergessen, die Experimente zu dokumentieren! Damit gibt man den Anstoß, ein „lernendes“ Unternehmen aufzubauen.
5. Aufbau eines Growth-Teams
Die eigentliche Herausforderung für Unternehmen ist nicht das Anwenden von Growth Hacks, sondern das Bilden von interdisziplinären Teams und das Etablieren einer Growth-Kultur. Die Entwicklung einer Growth-Kultur ist kein
einfaches Unterfangen – alle Beteiligten müssen das neue Credo akzeptieren und gemeinsam miteinander arbeiten. Die „weichen“ Faktoren sind kritisch: Teammitglieder, Organisation und Mentalität sind absolut entscheidend. Alles andere ist zweitrangig. Es wird ein Team gebraucht, das
- einen Sponsor auf C-Level hat, der die Straße frei macht, damit das Team autonom arbeiten kann,
- klein genug ist,
- Spaß daran hat, miteinander zu arbeiten und voneinander zu lernen,
- die Mentalität hat, Ergebnisse vor Konventionen, Titeln, grafischen Richtlinien
und so weiter zu setzen.
Die Größe des Teams hängt natürlich von der Größe des Unternehmens und dessen Ambitionen ab. Wenn man Solopreneur ist oder in einem Start-up arbeitet, dann ist man beziehungsweise der Marketing-Alleskönner natürlich der Growth Hacker. Möglicherweise kann man in diesem Fall aber mit Freelancern zusammenarbeiten.
Egal wie groß – ein Growth-Team sind Spezialisten, die miteinander und auf ein gemeinsames Ziel hinarbeiten. In großen Unternehmen sind das beispielsweise:
- Produktmanager
- User-Experience-Spezialist(en)
- Marketingspezialist(en)
- Webentwickler
- Data-Analyst(en)
Bei Teams dieser Größe wird der Growth Hacker als Growth Master in das Team integriert, koordiniert alle Wachstumsmaßnahmen und führt das Growth-Team. Wachstum darf kein Nebenprojekt sein. Ein Growth-Team braucht (neben den notwendigen Ressourcen, insbesondere im Bereich IT, Entwicklung und kreative Gestaltung) die unbedingte und nach allen Seiten kommunizierte Unterstützung durch die Geschäftsleitung, um nicht in bürokratischen Grabenkämpfen aufgerieben zu werden.
Fazit:
Die Growth-Hacking-Methode kann nicht nur von ambitionierten Start-ups genutzt werden, sondern auch von etablierten Unternehmen jeder Größe.
Denn Growth Hacking bringt Ergebnisse schneller und effizienter als traditionelles Marketing!
Literatur
[1] Weinberg, G., Mares, J. (2015): Traction: How Any Startup Can Achieve Explosive Customer Growth (Englisch) – Portfolio Penguin
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